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Muss Therapie wehtun, damit sie hilft?

Gleich vorweg: Eine physiotherapeutische Behandlung oder Trainingseinheit ist kein "Test der Stärke und Willenskraft" wie er etwa in skurrilen Kung Fu Filmen durchgeführt wird.

Das sehen aber nicht alle so, wie folgende kleine Anekdote aus meinem Therapeuten-Alltag zeigt: Patientin legt sich auf den Rücken, verzieht schmerzvoll das Gesicht. T: Tut´s weh? P: Ach, nein.*ächz* Ich mobilisiere vorsichtig die Schulter, sie stöhnt laut auf. T: Haben sie Schmerzen bei der Bewegung? Sagen sie mir bitte falls etwas weh tut!" P: Mmm, nein, alles ok. *wimmer* Wir wechseln zur Seitenlage, ich mache weiter. P: Uh, au. T: Ist das unangenehm? P: Nein, nein, es geht. Erste Übung. Erneut blicke ich in ein schmerzverzerrtes Gesicht. T: Tut das weh so? Sie sollten nämlich während der Übung keine Schmerzen haben! P: Uh, nein, es geht schon. T: ICH WILL NICHT WISSEN OB "ES GEHT"! ICH WILL WISSEN, OB SIE SCHMERZEN HABEN!? DAS IST EIN WICHTIGER INDIKATOR, OB WIR DIESE ÜBUNG MACHEN SOLLEN ODER DOCH BESSER ETWAS ANDERES! (Ich schreie natürlich nicht wirklich, sondern bleibe -wie immer- höflich und gefasst 😉 ) T: Also, tut das weh? P: Ein bissi spür ich´s schon. So oder so ähnlich habe ich das in den letzten 15 Jahren schon oft erlebt. Der Glaube an Sprüche wie "wenns´ helfen soll, muss es wehtun", kombiniert mit einer "ich halte das schon aus - Mentalität" ist hierzulande, so kommt es mir manchmal vor, weit verbreitet. Ich schätze es ja auch irgendwie, wenn meine Patienten/innen stark und tapfer sein wollen, damit ich als Therapeut ungehindert schalten und walten kann ;-), aber eine physiotherapeutische Behandlung oder Trainingseinheit ist kein "Test der Stärke und Willenskraft" wie er in den 36 Kammern der Shaolin durchgeführt wird! Es geht absolut nicht darum, Schmerzen möglichst tapfer auszuhalten und sich ja nichts anmerken zu lassen. Es gibt natürlich einige Behandlungsmethoden wie z.B. Triggerpunkttherapie oder Faszienbehandlungen, bei denen der Therapeut teilweise sehr konzentrierten Druck auf´s Gewebe ausübt - und das kann auch richtig schmerzhaft sein. In diesen Fällen, ist ein "Zähne zusammen beissen" bis zu einem gewissen Grad notwendig. Und auch bei posttraumatischen bzw. postoperativen Behandlungen gibt es Phasen in der Rehabilitation, wo man, auch wenn es ein wenig weh tut, ordentlich dehnen oder ein Gelenk mobilisieren muß, da es sonst dauerhaft an Mobilität verlieren könnte.

Aber grundsätzlich, vor allem in den ersten Wochen der Wundheilung nach einer Operation oder Verletzung, ist Schmerz ein absolutes Warnsignal und die Beachtung der individuellen Schmerzgrenze von allergrößter Wichtigkeit. Hier "in den Schmerz hinein zu arbeiten" sollte tunlichst vermieden werden, denn die neu aufgebauten Verbindungen der heilenden Gewebsschichten sind noch nicht wirklich belastungsstabil. Der Schmerz ist ein eindeutiger Indikator, wann es zu viel wird. Und jedes Mal, wenn man dieses Signal ignoriert, kann es zu Mikrotraumen im noch schwachen Gewebe kommen und wieder aufflammenden Entzündungen, die den weiteren Heilungsverlauf in die Länge ziehen. Also eigentlich das Gegenteil von dem, was man in der Therapie erreichen möchte. Besondere Vorsicht ist deshalb auch geboten, wenn man Schmerzmittel einsetzt, wie es oft in der ersten postoperativen Zeit oder nach einer Verletzung getan wird. Die Schmerzschwelle wird durch die Medikation nach oben verschoben, was ja durchaus sinnvoll sein kann, aber dadurch kommt die Wahrnehmung, ab wann die Belastung zu groß ist, möglicherweise zu spät. In diesem Fall muß man also umso vorsichtiger sein! Also: egal ob Therapeut, Masseur, Arzt, Trainer...wer auch immer mit oder an ihnen arbeitet: zögern sie nicht, mitzuteilen wenn etwas schmerzhaft oder unangenehm ist. Wir "Berufsberührer" haben durch unsere Erfahrung meist ein gutes Gefühl für das was wir tun, aber letztenendes ist es ihr Körper und ihr persönliches Empfinden das auschlaggebend ist. Das ehrliche Feedback brauchen wir, um zu wissen, ob die Dosis unserer "Medizin" die Richtige ist. Und sollten Schmerzen in der Behandlung doch einmal nicht zu vermeiden sein, weil sie, wie oben beschrieben, behandlungsimmanent sind, wird sie ein guter Behandler immer vorher darauf hinweisen was auf sie zukommt. Denn dann heißt es wirklich: Tapfer sein und Zähne zusammenbeissen! Im Gegensatz zum Shaolin-Prüfling dürfen sie auch laut jammern und fluchen, das macht es leichter. 😉

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